Dr. Judith Niehaus
Postdoktorandin
Projekt
›Hier, jetzt, wir‹. Zur literarischen Erzeugung geteilter Gegenwart(en)
Im Mittelpunkt meines PostDoc-Projekts steht die Frage, wie es literarischen Texten gelingen kann, eine geteilte Gegenwart von Rezipient:innen einerseits und Werk, Figuren oder Erzählinstanz andererseits zu evozieren oder sogar tatsächlich herzustellen. Eine zentrale Rolle für poetische Verfahren, die entsprechende ›Kopräsenz-Effekte‹ zeitigen, spielen Deiktika wie ›Hier‹, ›Jetzt‹ oder ›Wir‹, die eine rezeptionsseitige Bereitschaft zur Versetzung in ein (fiktionsseitig erzeugtes) Zeigfeld voraussetzen oder einfordern und eine eigene Form der Gegenwartsreferenz darstellen.
Für die Analyse derartiger Verfahren – deiktischer Prozeduren und verwandter Verfahren wie Leseradressierungen und ›performative Leseakte‹, aber auch Bezugnahmen auf die Materialität des Textes oder die Körperlichkeit von Lektüren –, kombiniere ich Ansätze der Semantik und Pragmatik, der Leseforschung sowie der Erzähl- und Texttheorie. Entlang exemplarischer Lektüren, von E.T.A. Hoffmann bis zur Literatur der Gegenwart, versuche ich damit ein strukturelles Potential von Literatur neu zu fokussieren.
Profil
- 2021–2022
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Hamburg - 2017–2022
Promotion im Fach Germanistik mit der Arbeit Typographisches Verfremden – verfremdete Typographie. Zur Ästhetik der Schrift in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart - 2019
Visiting Fellow am German Department der Harvard University - 2016–2017
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität Hamburg - 2013–2016
Masterstudium Deutschsprachigen Literaturen an der Universität Hamburg - 2009–2013
Bachelorstudium der Mathematik, Philosophie und Germanistik an der Ruhr-Universität Bochum
- Workshop: Erfahrung – Überlieferung – Kritik (Wien, 12.-12.05.2023)
- Tagung: Gattung und Gegenwart (22.-24.06.2023)
- Laborgespräch mit Julia Eichhorn und Angela Tsakiris: Scouten, Beraten, Verteidigen – Die Rolle(n) von Literaturagentur und Verlagslektorat (22.11.2022)
- Doktorand*innen-Workshop Bonn/Prag (09.-10.06.2022)
- "Typographische Verfahren. Zum semantischen und verfremdenden Potential von Schriftgestaltung und Buchmaterialität", Vortrag im Rahmen des Workshops Medienreflexion und reflexive Medialität. Kinder- und Jugendliteratur in der Medienkonkurrenz am Hanse-Wissenschaftskolleg, 2024
- "'Wir sind da'. Deiktische Bezüge und Leserkonturierung im 'Meister Floh'", Vortrag im Rahmen des Workshops Hoffmanns Novellistik veranstaltet von den Herausgeber:innen des E.T.A. Hoffmann-Jahrbuchs an der Universität Mannheim, 2023
- "Sort by Popularity. Letterboxd als Paratextmaschine", Vortrag im Rahmen der Tagung Paratexte des Populären des SFB 1472 Transformationen des Populären an der Universität Siegen, 2023
- "Über Katharina Kohls 'Das Archiv Innere Sicherheit' und die Dokumentwerdung im Schuber", Vortrag im Rahmen der Tagung DokumentWerden. Zeitlichkeit, Arbeit, Materialisierung des Graduiertenkollegs Das Dokumentarische. Exzess und Entzug an der Ruhr-Universität Bochum, 2022
- "Doing Care – Telling Care. Ein Gespräch über Konstellationen von Sorge- und Lohnarbeit in Romanen von Caroline Muhr bis Anke Stelling", Vortrag im Rahmen des Workshops Literatur und Care von undercurrents in Kooperation mit dem Literaturforum im Brechthaus, 2022 (mit Liza Mattutat)
- "Daumenkino. Das Rattern des Projektors als Flattern der Seiten", Vortrag im Rahmen der Tagung Der Kinematograph des Textes rattert: Intermediale Reflexivität in Literatur und Film der Gegenwart an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2021
- "Handgeschrieben. Graphische Inszenierungen des Schreibens im Gegenwartsroman", Vortrag im Rahmen der Tagung Schreiben, Text und Autorschaft – Zur Thematisierung, Inszenierung und Reflexion von Schreibprozessen in ausgewählten Medien und historischen Selbstzeugnissen an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2020
- "Typographisches Verfremden – Verfremdete Typographie. Zur Ästhetik der Schrift in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart", Vortrag am German Department der Harvard University (Cambridge/MA), 2019
- "Auktoriale Spuren im Text. Typographische und autofiktionale Dimensionen der Schreibszene im Gegenwartsroman", Vortrag im Panel Vexierbilder. Autorinszenierungen und Autorbilder von 1800 bis zur Gegenwart im Rahmen der 43. jährlichen Konferenz the German Studies Association in Portland/OR, 2019
- "Kein graues Rechteck der Schrift. Wie Philipp Weiss’ Am Weltenraum sitzen die Menschen und lachen die typographische Form des Romans strapaziert", Vortrag beim Workshop Das Wissen des Romans. Lebens-Form / Gattungs-Form an der Humboldt-Universität Berlin, 2019
- "Autofiktion und typographische Verfahren im digitalen Zeitalter", Vortrag beim Workshop Literarische Praktiken der Gegenwart. Autorschaft und autofiktionales Schreiben im digitalen Raum an der Universität Oldenburg, 2018
- "Displaying and Writing Text Messages on Screen", Vortrag bei der Alphaville Konferenz #CinemaIsDead in Cork (Irland), 2017
- "Verfremdete und verfremdende Schrift bei Elsner und Brecht", Vortrag beim Symposium V-Effekte und andere Versuche die Wirklichkeit zu bewältigen: Gisela Elsner und Bertolt Brecht in Berlin, 2017
- SoSe 2023
"Adressierung, Apostrophe, Ansprache" – Seminar, Universität Bonn - WiSe 2021/22
"Autorinnen der Neuen Sachlichkeit" – Seminar, Universität Hamburg - WiSe 2021/22
"Text und Textil. Literatur und Handarbeit" – Seminar, Leuphana Universität Lüneburg - SoSe 2017
"Paratextualität in Literatur und Film" – Seminar, Universität Hamburg
- Leseszenen
- Leser:innenadressierung und Leseforschung
- Präsenz und Kopräsenz
- Deutschsprachige Literatur des 20. und 21. Jahrhundert
- Literatur und Materialität
- Literatur und Film
- Theorien der Schrift und Schriftlichkeit
- Literatur- und Medientheorie, insbesondere Narratologie und Paratextualität
- Elise-Reimarus-Preis 2022 der Akademie der Wissenschaften in Hamburg
- Karl H. Ditze-Preis 2024 der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg
Publikationen
Monographien
2023: Verfremdete Schrift. Typographische Verfahren in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart
Göttingen: Wallstein 2023.
Aufsätze
2024: Wir sind da! Deiktische Prozeduren in E.T.A. Hoffmanns
Meister Floh
in: E.T.A. Hoffmann-Jahrbuch 32 (2024), S. 31–45.
2024: Flatternde Seiten statt ratternder Kinematographen. Das Daumenkino als Ausgangspunkt intermedialer Reflexion
in: Isabelle Stauffer (Hrsg.): Literatur und Film im Spiegel des Digitalen. Intermediale Reflexivität in der Gegenwart. Berlin/Boston: De Gruyter 2024, S. 149–168.
2024: Gattungen setzen. Typographie und Gattungsreflexion in Philipp Weiss’ Weltenrand-Pentalogie
in: Angela Gencarelli (Hrsg.): Doing Genre. Praxeologische Perspektiven auf Gattungen und Gattungsdynamiken. Berlin/Boston: De Gruyter 2024, S. 177–196.
2024: Drehtür
in: Michael Niehaus (Hrsg.): Slapstick. Ein Kompendium Teil I. Hagen: Hagen University Press 2024, S. 33–45.
2024: Kinopublikum
in: Michael Niehaus (Hrsg.): Slapstick. Ein Kompendium Teil I. Hagen: Hagen University Press 2024, S. 87–98.
2024: Identifiziert euch (nicht): Deixis, Adressierung und Distanzmanagement in Shida Bazyars 'Drei Kameradinnen'
In: Genealogy+Critique 10, no. 1, 2024, S. 1-20.
2023: Kinder, Küche, Krise der Reproduktion. Ein Mailwechsel über Konstellationen von Sorge-, Lohn- und Schreibarbeit in Romanen von Caroline Muhr bis Anke Stelling
In: undercurrents (Hrsg.): Literatur und Care. Berlin: Verbrecher 2023, S. 61–82. (mit Liza Mattutat)
2023: "Im Zentrum der Schrift". Zu den prosaischen und typographischen Verfahren in Michael Lentz’ Schattenfroh
In: Emmanuel Herman und Ralf Simon (Hrsg.): Michael Lentz' ›Schattenfroh‹.Lektürewege in eine komplexe Prosa-Enzyklopädie. Berlin/Boston: De Gruyter 2023, S. 123–145.
2022: Soll das ein Soundtrack für das Buch sein? Die Playlist zum Roman als Paratext
in: POP online, 01.11.2022.
2022 [mit Lukas Betzler]: Von kapitalistischen Vampiren und kommunistischen Gespenstern. Julian Radlmaiers Film 'Blutsauger'
in: 54books, 26.05.2022.
2021: Handgeschrieben. Grafische Inszenierungen des Schreibens im Gegenwartsroman
in: Carsten Gansel, Kathrin Lehnen, Vadim Oswalt (Hrsg.): Schreiben, Text, Autorschaft I. Zur Inszenierung und Reflexion von Schreibprozessen in medialen Kontexten. Göttingen: V&R unipress 2021, S. 223–244.
2021: Auktoriale Spuren im Text. Typographische und autofiktionale Dimensionen der Schreibszene im Gegenwartsroman
in: Alina Boy, Vanessa Höving, Katja Holweck (Hrsg.): Vexierbilder. Inszenierungen von Autor:innenschaft vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn: Fink 2021, S. 253–276.
2020 [mit Anabel Recker]: "My log hears things I cannot hear". Zu den narrativen und mythischen Funktionen der Log Lady
in: Caroline Frank, Markus Schleich (Hrsg.): Mysterium Twin Peaks. Zeichen – Welten – Referenzen. Wiesbaden: Springer VS 2020, S. 261–279.
2018: Verfremdete und verfremdende Schrift bei Gisela Elsner und Bertolt Brecht.
in: Brecht Yearbook 43 (2018), S. 81–96.
2017: Gedanken lesen lassen. Zur narrativen Funktion(sweise) von Gedankenvisualisierung durch Schrift
in: Bernd Scheffer, Oliver Jahraus (Hrsg.): Medienobservationen, 12.05.2017