Zwischen Halbwertszeit und Überzeitlichkeit. Geschichte der Wertung literarischer Gegenwartsbezüge
Tagung
Die Formulierung und Revision literarischer ,Qualitätskriterien‘ bildet eines der Kernelemente normativer Literaturkritik und -geschichtsschreibung. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert profiliert sich ein axiologischer Wertmaßstab, der in einem engen Zusammenhang mit der vielfach konstatierten ,Verzeitlichung‘ von Gegenwart steht und seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem zentralen Bewertungskriterium literarischer Texte avanciert: Der Bezug zur Gegenwart, die erkennbare Auseinandersetzung mit der eigenen ,Jetztzeit‘. Ob eine vom jeweiligen historischen Standpunkt aus verstandene Gegenwartsnähe von Wertungsinstanzen wie Literaturkritik, -programmatik und Ästhetik als wünschenswert wahrgenommen wird oder nicht, ist für die historisch kontingenten Relationen zwischen Literatur und Gegenwart von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Die historischen Transformationen, welche dem Verhältnis von Gegenwart und Literatur zugrunde liegen, wurden in den vergangenen Jahren unter verschiedenen Vorzeichen untersucht und zählen zu den zentralen Forschungsinteressen des DFG-Graduiertenkollegs Gegenwart/ Literatur. Mit der geplanten Tagung wollen wir an diese Vorarbeiten anschließen und das grundlegende Konfliktpotenzial von Gegenwartsbezüglichkeit unter sich wandelnden ‚Qualitätskriterien‘ aus historischer und systematisierender Perspektive untersuchen. Insbesondere Phasen des Übergangs, der Gleichzeitigkeit, Simultanität und Umdeutung der Wertung von Literatur und Gegenwart sollen im Rahmen der Tagung ausgeleuchtet werden, um die Aushandlungsprozesse sichtbar zu machen und literaturgeschichtliche Zuordnungen zu hinterfragen.
Infobox
Donnerstag, 27. Juni 2019
ab 14 Uhr
Genscherallee 3, Foyer
Freitag, 28. Juni 2019
ab 9:30 Uhr
Universitätsforum
Organisation
Sven Bordach, Carsten Rommel, Elisabeth Tilmann, Jana Vijayakumaran und Jian Xie
Ablauf/Programm
14:00 Johannes Lehmann (Bonn): Begrüßung
14:05 Jian Xie und Jana Vijayakumaran (Bonn): Einleitung und Organisatorisches
PANEL I
14:15 Stefan Neuhaus (Koblenz): Autonomie und Überzeitlichkeit oder Gegenwarts- und Zeitbezug: Zur problematischen Genese und Aktualität einer falschen Dichotomie
15:00 Kaffeepause
15:15 Eva Stubenrauch (Bonn): Zeitdiagnostik. Zum Gegenwartsindex einer gattungsübergreifenden Geste
16:00 Moritz Baßler (Münster): Textgegenwart. Synchronie und Zeitbezug als Herausforderungen der literaturwissenschaftlichen Analyse
16:45 Kaffeepause
PANEL II
18:00 Christian Meierhofer (Bonn): „es muß bey vielfältiger Lesung dergleichen Bücher etwas kleben bleiben“. Zur Genese von Literaturkritik und Wertungsgeschichte um 1700
18:45 Jürgen Fohrmann (Bonn): Der Unterschied, der/den die Gegenwart macht. Ästhetische und politische Programme zwischen 1770 und 1830
PANEL III
9.30 Sven Bordach (Bonn): „Die Zeit ist umgefallen.“ Der Schreiberling im Kladderadatsch 1848
10:15 Elisabeth Tilmann (Bonn): Blatt-Buch-Relationen. Pressehistorische Perspektiven auf die Überzeitlichkeit der Zeitung
11:00 Kaffeepause
11:15 Natalie Moser (Potsdam): „Gänseblümchenpoesie“: Die Figur des Kritikers in Wilhelm Raabes frühen Erzählungen
12:00 Johannes Franzen (Bonn): Der allerletzte Epigone. Moderne Transformationen des Zeitgedichts in Arno Holz‘ „Buch der Zeit“
12:45 Mittagspause
PANEL IV
13:45 Carsten Rommel (Bonn): „Gott, Gegenwart und Kokain“ - Der Wert der Gegenwart in der Reportagensammlung „Berichte aus der Wirklichkeit“
14:30 Olav Krämer (Osnabrück): Zivilisationsschotter oder Ekstasen der Urzeit. Gegenwartsbezüge der Literatur in Gottfried Benns Essay „Zur Problematik des Dichterischen“ (1930)
15:15 Kaffeepause
15:45 Dana Steglich (Bonn): Flucht vor der Gegenwart. Zur Geschichte der Wertung literarischer Texte als ‚Eskapismus‘
16:30 Thomas Wegmann (Innsbruck): „Scheußlichkeiten großen Stils“. Zur Gegenwartsliteratur in der Germanistik der 1960er Jahre
17:15 Stefan Geyer (Bonn): Beobachtungen
Abschlussdiskussion
18:15 Ende der Tagung